Wasserhahnalibi

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7 Wochen ist es seit meinem letzten Eintrag her. Corona, bla, bla, bla, Ihr wisst schon. Im Gegensatz zu Deutschland heißt es in Spanien zu Hause bleiben. Raus darf man nur aus triftigen Gründen wie Einkauf oder Arztbesuch, und dann auch nur allein. Kein Maskenzwang zwar, dafür auch kein Auslauf. Es sind zermürbende Zeiten und stündlich hoffen wir auf Neuigkeiten. Heute etwa, ob, und wenn in welchem Zeitfenster wir am Samstag zu zweit (zu zweit! Herrlich!) spazieren gehen dürfen. Man wird bescheiden.

Da ich auf dem Weg nach Mala und auch dort selbst keinen, also wirklich null Kontakt zu Personen habe, entschied ich mich, dass es in Ordnung wäre, hin und wieder dorthin zu fahren, um die überschüssige Energie und die durch fehlende Bewegung entstandenen Rückenschmerzen zu vertreiben. Am ersten Tag, es war der vierte April, schaute ich nur nach dem Rechten und justierte die automatische Bewässerung.
Danach fühlte ich mich elender als zuvor, weil ich dran erinnert wurde, dass wir doch schon so kurz davor standen, das Gästezimmer zu vollenden und nun bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten müssen.

Ich wollte mehr, als nach dem Rechten zu schauen, wollte was tun, nicht nur herumsitzen!

Eine Woche später stand ich zwei Tage lang auf der Leiter und kratzte die Farbe von der Schlafzimmerdecke. Eine undankbare Über-Kopf-Arbeit, weshalb ich es auch nur jeweils zwei Stunden aushielt: Es geht tierisch in die Arme, und man kommt kaum voran. Ich habe zum Abkratzen zuerst einen Spachtel benutzt, später einen Meißel, weil die Plastikfarbe so hartnäckig ist. Ich denke, wir werden bei den anderen Räumen nur die ganz, ganz lose Farbe abkratzen und versuchen, eine Farbe zu finden, die darauf hält. Laut meiner Tadelakt-Whatsapp-Gruppe gibt es Kalkfarbe eines bestimmten Herstellers, die auf allem halten soll. Sollten wir mal ausprobieren, bevor wir uns die ganze Arbeit machen.

Entdecken musste ich dann auch noch eine weitere undichte Stelle im Wohnzimmerdach. Mittlerweile sind es, glaube ich, drei. Die dritte, neue Undichtigkeit bringt allerdings ein weißes Pulver zu Tage. Der Schnellschlecktest bewies: Was da blüht, ist Salz. Vermutlich, nein, ganz sicher (wo sollte es sonst herkommen?) stammt es vom Jable, dem feinen Bausand, den die „Handwerker“ beim Dachbau benutzten und den wir genau deshalb nicht verwenden wollen, weil er voll Salz ist.
Bleibt die Hoffnung, dass, sobald das Dach dicht ist, es dort oben nicht mehr so feucht ist und kein weiteres Salz ausblüht. Das wäre … sch….

Am letzten Donnerstag und Freitag habe ich dann sogar eine Wand vorgekalkt. Ihr fragt Euch sicher, wie es sein kann, dass ich überhaupt an Material komme! Tjaaaaa. Die Baumärkte haben seit zwei Wochen wieder geöffnet, doch der Normalbürger darf dort nur „essenzielle“ Dinge kaufen. Zum Beispiel eine Glühbirne. Oder einen Wasserhahn, wenn der andere tropft. Und da in Mala tatsächlich ein Wasserhahn tropft, bin ich frohgemut zur Ferretería gewackelt, um einen neuen zu erwerben – um gleichzeitig herauszufinden, ob ich, wenn ich schon einmal da bin, auch etwas anderes erwerben kann.
Ich konnte.
Aber nur, weil ich selbstständig gemeldet bin!
Tatsächlich war es denen völlig egal, WAS ich arbeite, ob als Handwerker, Friseur oder Künstler, Hauptsache, ich bin gemeldet. Der Beweis für meine Selbstständigkeit kam als Foto auf dem Handy. Die junge Frau vom Baumarkt war erfreut und ich innerhalb kürzester Zeit im Besitz von 5 Säcken Kalk.

Leider gibt es noch immer (oder schon wieder) keinen feinen Sand zu kaufen. Die Wände im Gästehaus zu vollenden, fiel demnach aus. Also startete ich in der Diele mit dem Grobputz. Fegte die Wand zur Rechten ab. Befeuchtete sie mit dem Kärcher (ohne Strom, das Wasser strömt dann in der perfekt dafür geeigneten Menge aus der Pistole). Füllte große und kleine Löcher mit großen und kleinen Steinen. Rührte den Kalk mit Arena negra an (1 : 3 : 5 l Wasser). Massierte den Kalkputz in die Wand.
Zwei Tage lang.
Mir tat alles weh.
Aber ich war glücklich wie lange nicht.

Den Wasserhahn habe ich noch nicht ausgetauscht. Der dient mir als Ausrede, falls die Polizei mich doch mal anhalten sollte und fragt, was ich denn so weit weg von Zuhause mache. „Cambiar el grifo!“ werde ich dann freudig verkünden und den neuen Wasserhahn präsentieren, der seit Tagen auf dem Beifahrersitz liegt.

Unser oller, tropfender Wasserhahn.

Eigentlich brauche ich keine Ausrede, schließlich bin ich dort offiziell gemeldet. Aber irgendwie … ach.

3 Gedanken zu „Wasserhahnalibi“

  1. freut mich, dass es wieder ein bisschen weiter geht.Zufällig habe ich heute Morgen noch reingesehen, aber da war noch die Sandwüste da.
    Gruß Ingrid

  2. unglaublich, dass Du an deinem eigenen Haus (und alleine) eigentlich nicht arbeiten darfst.
    Unglaublich auch, dass ein neues! Dach an drei Stellen undicht ist und
    unglaublich auch, dass jeder Sand reichlich Salz beinhaltet obwohl Jeder die negativen Eigenschaften kennt und überall sehen kann.
    Du siehst. …ich wäre sowas von ungeduldig und ungehalten mit den Bedingungen vor Ort.:-(

    1. Wie in Deutschland sind viele Ge- und Verbote bezüglich Corona nicht bis zuende gedacht. Vermutlich hätte es auch jeder Polizist akzeptiert, wenn ich ihm geschildert hätte, dass ich allein in meinem eigenen Haus baue, aber es gibt ja so’ne und solche Gesetzeshüter, und da wollten wir es nicht drauf ankommen lassen. Macht nicht, so konnten die Knochen auch mal eine Auszeit nehmen, der Bauchspeck wieder aufgefüllt werden und die Nerven zur Ruhe kommen.

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