Jugend forscht

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Ja, okay. Jugend trifft es vielleicht nicht mehr ganz, aber was Ollie und ich heute gemacht haben, macht zumindest dem Begriff forscht alle Ehre.
Doch fangen wir von vorne an: Der Maurer ist eine Wucht und arbeitet und kommentiert und ist aufmerksam und denkt mit, besser geht es kaum. Mit ihm haben wir endlich einen, dem wir vertrauen können, er hat sogar einen Schlüssel vom Haus, das hatten wir nach den ersten Erfahrungen eigentlich ausgeschlossen. Nie wieder würde jemand in unserem Haus allein gelassen werden. Aber bei ihm ist das kein Problem.

Mittlerweile sind alle gefährlichen Orte im Haus weniger gefährlich geworden, da er die Seiten der Türen mit Zement begradigt hat und so die Türstürze eine Stütze bekommen haben. Zuerst zwischen Arbeitszimmer und Salón, dann zwischen Schlaf- und Badezimmer, und jetzt ist schon der Türsturz über der Tür zu meinem Atelier fast fertig. Wunderbar. Und morgen kommt dann auch endlich das Dach.
Am letzten Wochenende ist das ja wegen angesagten und tatsächlich auch eingetroffenen Regens (der die Insel, wie man auf dem Foto sieht, zwar herrlich grün färbt, uns aber dennoch ziemlich auf die Nerven geht) ausgefallen, auch für heute Abend ist schon wieder Regen angesagt, so dass der Tischler, wie er mir eben gerade mitteilte, nun doch nicht heute Abend das Material vorbeibringt, sondern erst morgen. Dann aber kommt er zusammen mit einem Honk (=Hilfskraft ohne nennenswerte Kenntnisse), damit alles schneller geht. Wunderbar. Hoffentlich können wir am Sonntag das flüssige Bitumen hinterherkippen und nach 24 Stunden, wenn es getrocknet ist, die Teerpappe aufbringen, bevor die nächsten Regenschauer das neue Dach überfluten.

Während der Maurer mauerte, beschäftigten wir uns damit, die Bretter, die auf die Dachbalken kommen, und die wir bereits vor einer oder zwei Wochen mit Bondex eingepinselt hatten, zusätzlich nun auch noch mit Leinölfirnis (Leinöl : Terpentin, 1 : 2) einzuölen. Siebzig (!) 3,60-m-lange Bretter (siehe Titelbild) waren es, die wir zu zweit – immer vier Bretter auf einmal – vom Schlaf- durchs Lesezimmer und dann quer über den Patio, durch die Küche und die Diele schleppten, um sie im großen Patio vorm Haus mit in Öl getränkten Lappen erst auf der einen (gebondexten) Seite, dann auf der anderen, bisher nur mit Anti-Insektenzeugs bestrichenen Seite zu ölen. Waren die vier Bretter fertig, navigierten wir sie einzeln ins Gästehaus, um sie dort zu stapeln. Eine Riesenaktion, und das nur aus Angst vor Regen. Früher waren wir nicht so verweichlicht.

Heute haben wir die zweite Hälfte der Bretter mit Öl behandelt, anschließend begannen wir mit unseren Best-Ager-forscht-Versuchen. Unzufrieden waren wir mit den Ergebnissen der letzten Färbungen gewesen, als wir Betún de Judea mit Terpentin und Leinöl vermischten. Zu dunkel wurde der Testbalken, alles sah etwas schmuddelig aus, außerdem drehte sich die Farbgebung ins Gegenteil um, das heißt, die zuvor dunkleren Bereiche des Holzes waren plötzlich heller als die zuvor helleren Bereiche. Negatives Beizbild nennt man das, und das liegt daran, dass die hellen Jahresringe (Frühholz) eine offenere Struktur als die dunklen (Spätholz) haben, dadurch nehmen sie beim Färben oder Beizen mehr Farbstoffe auf. Wieder was gelernt.
Spannend nun aber der Färbeversuch mit Essig. Ollie kam darauf, hatte es irgendwann mal im Fernsehen gesehen und nun gegoogelt, wie man das genau macht. Aha, ganz leicht.
Man nehme:

  • Stahlwolle (nicht die aus Edelstahl, die rostet nämlich nicht und wäre damit ungeeignet)
  • 2 Liter Essig (den zum Putzen, ganz billig zu kriegen)
  • eine 8-Liter-Plastik-Wasserflasche

Den Sud haben wir gestern angesetzt, den Deckel nur lose auf die Flasche gelegt und verklebt, weil die Zutaten ziemlich schnell begannen, miteinander zu reagieren. Es blubberte. Im Internet liest man, dass man Schraubgläser verwenden soll, die fest verschlossen werden, doch das war uns komisch: Denn theoretisch kann alles in die Luft fliegen, weil bei der Reaktion zwischen Metall (Stahlwolle) und Säure (Essig) neben Eisenacetat auch Wasserstoff entsteht. (Hört sich klug an, aber ich plappere nur das nach, was mir mein Bruder – Doktor der Chemie – heute erklärt hat!) Eine ziemlich explosive Mischung also, sollten irgendwo Funken sprühen … zum Beispiel von unaufmerksam abgelegten, leinölgetränkten Lappen. Die können sich nämlich selbst entzünden, wenn man sie nur unbeobachtet lässt. Ist uns noch nicht passiert, wir lagern sie jedoch sicherheitshalber in einem großen Tontopf, mit dicken Steinen beschwert, damit nichts wegfliegt, weit ab von allem Brennbaren. Oder wir zünden die Lappen gleich an. Das ist spaßiger.

Aber zurück zum Sud. Die Stahlwolle lag also über Nacht im Essigbad, blubberte und reagierte ordentlich und wie vorgesehen mit der Säure.
Das Testbrett wurde mit 80er Körnung geschliffen, dann mit Wasser, bzw. schwarzem Tee, den ich gestern gekocht hatte, eingerieben, damit die Fasern des Holzes sich aufstellen und wir sie anschließend mit einer feineren, 120er Körnung abschmirgeln konnten. Das Holz wird somit glatter, so was muss man als guter Tischler wissen. Der schwarze Tee sollte wiederum bewirken, dass die Reaktion mit dem Essig-Stahlwolle-Sud stärker ausfällt aufgrund der darin enthaltenen Gerbsäure, aber das war Murks. Es gab keinerlei Unterschied zwischen Wasser und Tee, vielleicht war er aber auch einfach nicht stark genug.

Die Reaktion habe ich eben vorweggenommen, nun noch einmal genauer: Wir filterten einen Teil des nahezu farblosen Essig-Stahl-Suds, indem wir die zum Himmel stinkende Flüssigkeit durch Klopapier jagten, dann erst trugen wir sie mit einem Stück meiner ehemaligen Lieblingspluderhose auf das Testholz auf. Es war faszinierend, mitanzuschauen, was dann geschah. Zuerst war kaum etwas zu sehen: Dort, wo wir die Beize aufgetragen hatten, war das Holz nur etwas dunkler, als hätte man Wasser draufgegeben. Doch dann, innerhalb von einer halben Stunde, dunkelte es nach, wurde grau, rötlich, schließlich etwas stumpf in der Farbe, Ihr seht es auf den Fotos. Faszinierend, oder? Und das alles ohne Photoshop! Was das genau für eine chemische Reaktion ist, weiß ich nicht. Ist mir ehrlich gesagt auch schnuppe. Es reagiert. Es macht Holz dunkel. Das ist toll. Und das reicht mir. (Spannend übrigens auch, dass jede Holzart anders reagiert. So war der dicke Balken aus „Riga americana“, den wir als Bock benutzten, sofort dunkelbraun gefärbt, und nicht so hell wie das Kiefernholz. Wer mehr darüber erfahren möchte, hier gibt es ein youtube-Video dazu, das es ganz gut zeigt.)
Das Ergebnis überzeugte uns allerdings noch nicht, viel zu hell war das Holz. Dagegen Abhilfe schaffen können Zeit und /oder Forscherdrang. Laut Tante Google färbt das Essig-Stahl-Gemisch nämlich stärker, je länger man es „ziehen lässt“. (Spätestens jetzt höre ich meinen Bruder laut seufzen, hihi.) Wir werden das Zeug also noch eine Weile stehen lassen und jeden Tag eine Farbprobe machen.
Zusätzlich kam ich auf die Idee, dem zuvor schon ausgeschiedenen Betún de Judea eine zweite Chance zu geben. Wie ich oben schrieb, missfiel uns der große Kontrast, der zwischen Spät- und Frühholz entstanden war. Der Essig-Stahl-Mix aber verschaffte dem Holz nun ein positives Beizbild, vielleicht könnten wir beide Effekte kombinieren!

Gesagt getan, mit einer Spritze wurde Betún mit Terpentin genau dosiert und nachträglich auf die essig-gebeizte Fläche aufgetragen. Die Ergebnisse unterschiedlichster Mischungsverhältnisse konnten sich sehen lassen, auch wenn Ihr es leider nicht sehen könnt, weil ich ausgerechnet davon kein Foto gemacht habe. Egal. Was Ihr sehen könnt, ist links der recht akribische Versuchsaufbau, dann das Endergebnis vom obigen Essig-Stahl-Sud nach einer halben Stunde (in der Mitte, der dunklere Streifen, da bin ich zweimal mit dem Zeug drüber gegangen) und zu guter Letzt das Ergebnis des wohl heikelsten, aber in meinen Augen auch vielversprechensten Versuchs: Nachdem wir in den Proben zuvor alles nacheinander auf den Balken aufgetragen hatten – also erst den Essig-Stahl-Sud, dann den Betún-Terpentin-Mix und zum Schluss den Leinölfirnis – schüttete ich nun einfach alles zusammen, was sollte schon passieren? (Mein Bruder reagierte nicht sofort, als ich ihn per Whatsapp fragte, ob uns irgendwas um die Ohren fliegen könnte, also wagte ich den Versuch und wurde für meine Tapferkeit/Ignoranz belohnt.) Eine Fertigmischung würde später viel Zeit sparen, wenn wir Türstürze, -rahmen und die Türen selbst behandeln würden!

    • 100 ml Essig-Stahl-Sud
    • 100 ml Leinölfirnis (2 Teile Terpentin und ein Teil Leinöl)
    • 5 ml Betún de Judea

Alles in eine ausgetrunkene Wasserflasche geschüttet. Einen Totenkopf auf Deckel und Flasche gemalt. Und dann schön geschüttelt.
Das Ergebnis (Bild drei, zweifacher Anstrich) finde ich klasse. Ja, es ist noch zu hell und ein bisschen unregelmäßig, aber insgesamt wirkt es doch recht weich und warm. Mehr Betún brachte nichts, der Anstrich wurde nur grauer statt dunkler, weswegen wir morgen, wenn wir zwischen Bretterhieven Zeit finden, einen weiteren Versuch starten. Und übermorgen. Und vielleicht nach einer Woche. Es wird schön.

 

Eine letzte Anmerkung: Wir freuen uns immer riesig über Eure Kommentare! Die motivieren uns, und es macht Spaß, mit alle dem hier nicht alleine zu sein. Anfangs habe ich noch versucht, jeden Kommentar zu kommentieren, doch die meisten von Euch haben das sicher nicht einmal mitbekommen, weil man ein Häkchen setzen muss, wenn man über Kommentare zum Kommentar benachrichtigt werden möchte. Aus diesem Grund, und weil ich zu bequem bin, jedes Mal zu antworten und manchmal auch gar nicht weiß, was ich schreiben könnte, sondern nur froh bin, dass Ihr da draußen seid, lasse ich das Kommentieren der Kommentare nun sein. Schreibt Ihr bitte, bitte eifrig weiter! Wir lesen es und freuen uns auch kommentarlos!

 

 

 

5 Gedanken zu „Jugend forscht“

  1. Ich bin begeistert von eurem Tatendrang und eurem Forschererfolg. Da lerne ich im Blog doch auch noch viel neues dazu….Wer weiß, wann man es mal brauchen kann.😊

  2. na, schön, dass Ihr endlich einen guten Handwerker habt. , jetzt gehts vorwärts und das Dach, ist denn schon alles trocken?
    weiterhin viel Glück bei Eurem Vorhaben

  3. Wow. Ich bin beeindruckt, auch wenn ich irgendwann bei dem ganzen Stahl-Sud-Gedings inhaltlich ausgestiegen bin. Du hast das Handwerker-Gen geerbt. Dein Papa wäre echt stolz auf Dich. 🙂 Und auf Ollie natürlich auch. Keep on going!

  4. Die ältere Generation bleibt da offenen Mundes. Muss an den Kriegserfahrungen liegen. Da wünschte man sich nichts dringlicher als so schnell wie möglich ein Dach über dem Kopf und womöglich noch etwas auf dem Teller. Mit dem Teller klappt es ja wohl schon und auch nicht schhlecht. Ich hoffe doch, nun auch mit dem Dach und dem Maurer. Da ich nchts von Euch höre habe ich Bedenken, dass Ihr vielleicht darauf festgeklebt sein könntet, oder doch die chemischen Verbindungen zu unerwünschten Dingen geführt haben könnten. Beruhigt mich mal.

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